EZB setzt Zinssenkungskurs fort

04.05.2025

Die Europäische Zentralbank hat ihre Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte gesenkt und klargestellt, dass sie sich weniger um die Inflation als um die geopolitischen Effekte auf das Wachstum der Eurozone sorgt. Den Immobilien als sicherer Hafen könnte diese Unsicherheit sogar helfen.

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Leitzinssätze der EZB um jeweils 25 Basispunkte gesenkt. Der Einlagenzins liegt damit bei 2,25%, der Hauptrefinanzierungssatz bei 2,4%. „Der Disinflationsprozess schreitet gut voran. Die Inflation hat sich weiterhin im Einklang mit den Erwartungen unserer Fachleute entwickelt“, sagt EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Im März war sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation zurückgegangen. „Die meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation deuten darauf hin, dass sich die Inflation nachhaltig im Bereich des mittelfristigen Zielwerts des EZB-Rats von 2% einpendeln wird“, fügt Lagarde hinzu. Die Wirtschaft des Euroraums habe zwar eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber globalen Schocks aufgebaut, die Wachstumsaussichten hätten sich jedoch aufgrund der zunehmenden Handelsspannungen eingetrübt. „Die erhöhte Unsicherheit dürfte das Vertrauen der privaten Haushalte und Unternehmen mindern. Die negative und volatile Marktreaktion auf die Handelsspannungen dürfte sich zudem restriktiv auf die Finanzierungsbedingungen auswirken“, so die EZB-Chefin. Diese Faktoren könnten die Wirtschaftsaussichten im Euroraum zusätzlich belasten.

Immobilien spüren eher den Einfluss der Unsicherheit als den der Zinsen

An den Kapital- und Finanzierungsmärkten sei der EZB-Entscheid eingepreist, sagt Felix Schindler, Head of Research & Strategy, HIH Invest. „Für die Immobilienmärkte gilt es in der aktuellen Situation und hinsichtlich der Turbulenzen an den Kapitalmärkten, die langfristige Perspektive sowie nachhaltige Werttreiber und Trends im Blick zu behalten.“ In schwierigen Zeiten dürften seiner Ansicht nach gerade konjunkturresiliente Sektoren mit einem strukturellen Nachfrageüberhang, wie er vor allem bei Wohnimmobilien besteht, für Stabilität und nachhaltige Cashflows sorgen. Insofern könnten Immobilien von der Unsicherheit sogar profitieren. Francesco Fedele, CEO von BF Direkt, ergänzt: „Die Inflationsgefahr ist nicht ganz vorbei, aber im Moment wohl eines der kleineren Probleme des europäischen Währungsraums.“ Insofern sei der Zinsschritt der EZB als richtig zu beurteilen. „Für die Projektentwickler bedeutet dies eine willkommene Entlastung“, fügt Fedele hinzu.

Schwache Wirtschaftsaussichten sprechen für weitere Zinssenkungen

Über den weiteren Verlauf des Zinszyklus gehen die Meinungen der Marktbeobachter auseinander. „Es ist die siebte Zinssenkung seit dem vergangenen Sommer – und kaum die letzte“, kommentiert etwa Oliver Kohnen, Geschäftsführer des Baufinanzierungsvermittlers Baufi 24. Die eskalierenden Zollstreitigkeiten – allen voran zwischen den USA und China, aber auch mit möglichen Auswirkungen auf Europa – hätten das Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung deutlich gedämpft. Ähnlich argumentiert Mark Wall, Chefvolkswirt Europa bei der Deutschen Bank: „Dass die EZB die gegenwärtige Unsicherheit als außergewöhnlich charakterisiert, zeigt ihre Offenheit für weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen, sofern der Handelsschock fortbestehen sollte und sich das in den Daten niederschlägt.“ Wall erwartet einen weiteren Zinsschritt um 25 Basispunkte im Juni. Der EZB-Einlagensatz könnte seiner Einschätzung nach zum Jahresende auf 1,5% fallen.

Aufwertungsdruck auf den Euro spricht gegen weitere Zinssenkungen

Michael Morgenroth, CEO bei Caerus Debt Investments, hält den weiteren Kurs der EZB für wesentlich weniger eindeutig. So habe die Reaktion der Märkte auf die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump zu deutlichen Kapitalzuflüssen in den Euroraum geführt. Der Euro, der Mitte Januar fast genau so viel wert war wie der US-Dollar, hat seitdem massiv aufgewertet. „Vor diesem Hintergrund ist in naher Zukunft dann eine eher neutrale beziehungsweise abwartende Haltung der EZB nicht unwahrscheinlich“, findet Morgenroth. Als positiven Nebeneffekt der US-Zollpolitik hält Morgenroth fest, dass sich der für Hypothekendarlehen wichtige Zinssatz von Bundesanleihen wieder normalisiert hat. „Der Markt hat den Zinsanstieg deutscher Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit Anfang März infolge der Ankündigung des Schuldenpakets auf zeitweise 2,93 Prozent als Ausreißer gewertet.“

Philip Krauss

Immobilienexperte aus Stuttgart